Ich bin schuld!

Der richtige Umgang mit Schuldgefühlen

(Manfred Hanglberger, ein Topos-plus-Taschenbuch)

 

Leseprobe

 

Schuldgefühle und Gewissen

 

Jahrhunderte lang wurde den Gläubigen im Christentum die Vorstellung vermittelt, das Gewissen sei der entscheidende Sensor in der menschlichen Seele, um zwischen gut und böse, zwischen Schuld und Unschuld zu unterscheiden. Tatsächlich erleben wir dies bei vielen Fehlverhaltensweisen auch so:

Haben wir jemand angelogen oder beleidigt, haben wir jemand ungerecht behandelt oder ihm materiellen Schaden zugefügt, bekommen wir, wenn wir ein einigermaßen sensibles Gewissen haben, Schuldgefühle. Im Schuldgefühl zeigt sich unsere menschliche Wahrnehmungsfähigkeit für die Auswirkungen unseres Tuns und besonders für die Wirkungen auf die Seelen anderer Menschen und auf unsere Beziehung zu ihnen. Schuldgefühle setzen also ein gewisses Niveau an seelischer Wahrnehmungsfähigkeit voraus, die die Wirklichkeit außerhalb unserer eigenen unmittelbaren Gefühlswelt erkennt. Schuldgefühle machen uns bewusst, dass wir nicht isolierte, von unserer Umgebung unabhängige Wesen sind, sondern dass unser Leben ein seelisches Netzwerk bildet. Unser Verhalten wirkt ständig auf dieses Netzwerk ein, und unser Selbstwertgefühl ist wesentlich von der Qualität und Kommunikationskultur dieses Netzwerkes geprägt. Die Qualität dieses Netzwerkes zu schädigen, verursacht Schuldgefühle in uns.

 

Die Psychoanalyse und vor allem die Kinderpsychologie haben aber erkannt, dass das Gewissen keineswegs so zuverlässig zwischen Schuld und Unschuld zu unterscheiden vermag, wie man das früher geglaubt hat. So können Menschen Schuldgefühle haben, auch wenn sie unschuldig sind, und sie können sich unschuldig fühlen, auch wenn sie objektiv betrachtet ein schuldhaftes Verhalten praktizieren. Wie ist das möglich?

 

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